
Dorf St. Jean Port Joli
Es ist Frühlingswetter am 4. Mai und für einmal fahren wir an einem Sonntag weiter. Wir verlassen Edmundston und nach ca. 20 Kilometern die Provinz New Brunswick. Jetzt sind wir in der Provinz Quebec unterwegs. Eigentlich wollten wir den Norden der Provinz befahren. Die kalte Witterung, die fehlenden Fährverbindungen und die fortschreitende Zeit zwingen uns aber auf die südliche Transcanada Route via Quebec und Montreal. Wir fahren also mit unserem Wiwomo einen Teil der Strecke zurück den wir vor etwa einem Monat mit dem Mietauto gefahren sind. Die Landschaft hat sich verändert. Die Temperaturen liegen nun bis zu 15°C höher, es liegt kein Schnee mehr, die Wiesen sind grün, die Blätter spriessen an den Bäumen und die Felder sind gepflügt. So begegnet uns das Land in gänzlich anderem Gesicht. Nach 200 Kilometern erreichen wir den kleinen Ort St. Jean Port Joli am Südufer des St. Lorenzstrom. Hier kauft Sabine ein, denn hier in Kanada sind viel Läden ganz selbstverständlich auch sonntags offen. Roger spaziert derweilen mit Kiara durch den Ort zum Wasser.
Das kleine Dorf Saint Jean Port Joli ist trotz seiner geringen Einwohnerzahl (ca. 3’300 EW) ein bedeutender Fremdenverkehrsort in der Region. Hübsch und aufgeräumt ist es hier, mit einer Uferpromenade für Besucher. Bei dem schönen Wetter treffen sich hier gerne auch einige Biker oder Sonntagsfahrer. Der Ort ist bekannt für seine Handwerker und Künstler, insbesondere in den Bereichen Holzschnitzerei und Bildhauerei. Beeindruckend ist auch die Kirche mit ihrer einzigartigen Architektur zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Mehrere renommierte Restaurants locken die Gäste in ihre Stuben und Sonnentrassen. In dem Touristenort fehlt natürlich auch der Jachthafen nicht. Das Becken des St. Lorenzstromes ist hier sehr breit und erscheint dem Besucher wie ein grosser See. Im Untergrund lauern aber auch einige untiefen, welche früher Lotsen für die Schifffahrt erforderten.
Bonjour Quebec, St. Lorenz Strom



Levis – Halte Autoroute 20
Nach dem Mittagessen in unserem Wohnmobil fahren wir nochmals rund 100 Kilometer weiter nach Levis, dem südlichen Vorort der Stadt Quebec. Gemäss unserer App «iOverlander» soll es hier eine Übernachtungsmöglichkeit auf dem grossen Parkplatz des «Les Sentier la Balade», einem Freizeitpark, geben. Der Freizeitpark bietet im Winter Langlauf- und Skitour-Routen oder Wanderungen mit Schneeschuhen. Im Sommer sind es Wanderer und Biker die hier durch den Waldpark ihre Runden drehen. Roger spaziert gleich eine Runde im Wald mit Kiara, der es hier offensichtlich gefällt und sie ist nicht der einzige Hund. Ein schöner ruhiger Ort, wäre da nicht das Schild, welches ein nächtliches Parkverbot signalisiert. Irgendwie ist uns nicht wohl bei der Sache und wir beschliessen einen anderen Platz aufzusuchen.
Also fahren wir nochmals ein Stück entlang des Highways bis zur nahen Autobahnraststelle. Die Raststelle bietet ausreichend Platz für grosse Lastwagen, Wohnmobile und Autos. Im Raststellengebäude findet sich eine Informationswand für Touristen, ein Aufenthaltsraum für Chauffeure mit Getränke- und Snack-Automaten und auch Toiletten. Das Wifi-Signal auf dem Platz versorgt unser Wohnmobil mit sehr gutem Internet und auf dem Gelände findet selbst Kiara genügend Bäume für ihre Bedürfnisse. Hier ist uns doch einiges wohler und mit ausreichend Internet versorgt können wir unsere Webseite nachführen, Recherchen anstellen oder Filme sehen. Einziger Wermutstropfen sind die Kühllastwagen, welche die ganze Nacht ihre Motoren laufen lassen. Wir sind heute 321 Kilometer gefahren und waren dabei über 8 Stunden unterwegs. Trotz der lärmenden Lastwagen bleiben wir bis zum Mittwoch 7. Mai zum Arbeiten und Ausruhen hier. Auch auf diesem Platz darf man nicht unbegrenzt stehen. Ein Reinigungsmitarbeiter erklärt uns am letzten Tag, dass wir hier nur 24 Stunden stehen dürften – ein entsprechendes Schild haben wir nicht gesehen.
Levis, Raststelle LKW mit Reifenwechseln




Kahnawake
Es ist Mittwoch der 7. Mai, wir haben genug vom Arbeiten und vom Lärm. Wir ziehen weiter westwärts. Nach 100 Kilometern erreichen wir einen Entsorgungspunkt in Ste Eulalie, wo wir unseren Abwasser- und Urintank leeren. Frischwasser auffüllen ist aber nicht erlaubt, wie uns ein Gemeindemitarbeiter erklärt. Zu spät, denn die Tanks sind bereits gefüllt, aber okay. Nach weiteren 100 Kilometern der nächste Kaffeestopp, natürlich bei Tim Hortons. Nach 283 Kilometern durch offenes Land, vorbei an riesigen Farmen und grünen Laubwäldern umfahren wir den Stau vor Montreal und erreichen unser Ziel. Südwestlich von Montreal liegt das First Nation Reservat der Mohawks (Volk des Feuersteins). Hier besuchen wir die Kahnawake Brewing Companie, eine gut besuchte kleine Brauerei und Gaststätte. Wir dürfen uns für die Nacht auf dem Parkplatz einrichten. Zum Dank an sie und zum Genuss für uns geniessen wir ein gutes Bier und ein Nachtessen.
Das Reservat umfasst 48 km² und ca. 8‚000 Stammes-Mitglieder. Der Name des Reservates leitet sich vom Mohawk-Wort «Kahnawá:ke» ab, was «Ort der Stromschnellen» bedeutet. Das Reservat ist eines von mehreren selbstverwalteten Kanien’kehá:ka-Territorien in Kanada, mit entsprechenden eigenen Regeln. Die Mohawks gehören zu einer von vier Gruppen der Irokesen. Die heutige Bevölkerung, vorwiegend aus Mohawk, bilden zusammen mit anderen Indigenen, Métis (Mischlingen) und ehemaligen europäischen Einwanderern eine multikulturelle Gesellschaft. Die erste indigene Mikro-Brauerei auf kanadischem Gebiet wurde 2016 gegründet und schenkte zwei Jahre später ihr erstes Bier aus. Sie setzt mit ihren Produkten auf Qualität, Kreativität und Authentizität. Heute werden 15 unterschiedliche Geschmacksrichtungen angeboten. Der Besuch ist ein Erlebnis für Touristen wie Einheimische.
Farm, grünen Laubwälder, Kahnawake Brewing Companie






Parc National de Plaisance
Ach, wie haben wir gut geschlafen, an diesem Ort mitten im «Indianerreservat», ohne LKW-Lärm. So brechen wir ausgeruht am Donnerstagmorgen auf zu neuen Ufern. 160 Kilometer westwärts, entlang des Ottawa-River zieht es uns. Kurz nach dem überqueren des St. Lorenz-Stroms stehen wir auf dem Highway 30 vor einer Mautstelle. Es handelt sich um die Unterführung eines Schifffahrtskanals – wie originell. Bei Point Fortune überqueren wir die Provinzgrenze zu Ontario um bei Hawkesbury über den Ottawa-River wieder auf Gebiet der Provinz Quebec zu fahren. Hier auf der Flussinsel befindet sich der Confederation Park, wo wir unseren ersten Zwischenhalt mit Spaziergang einlegen. Weiter westwärts über den Highway 50 gelangen wir zum Ort Plaisance und dem zugehörigen Provinzpark. Unser Nationalparkpass ist hier nicht gültig. Wir besuchen aber das Visitor Informationscenter. Der Eintritt lohnt sich in dieser Jahreszeit kaum und so fahren wir zu unserem Übernachtungsplatz, einem schön angelegten Rastplatz in der Nähe, an der Baie Noire. Von hier haben wir einen wunderbaren Blick auf das Naturschutzgebiet, es ist ruhig und kostenfrei.
Der Parc National de Plaisance ist nicht wie der Name verspricht ein Nationalpark sondern ein Provinzpark von Quebec. Das 28 km² grosse Feuchtgebiet ist Habitat von über 265 Arten von Vögeln, Amphibien und, das besondere, Schildkröten im Fluss Ottawa. Tatsächlich soll es so weit nördlich noch Schnapsschildkröten geben, in der Provinz Quebec gar 8 Arten von Land- und Wasserschildkröten. Auch ist nirgendwo sonst die Dichte an Bibern so hoch wie hier. Der Park verspricht viele schöne Trails zu Fuss oder mit dem Fahrrad, entlang der Buchten (Baie’s), über Wasserstege oder durch Uferwälder. Wer lieber auf dem Fluss und in der Baie unterwegs ist, mietet sich ein Kanu oder bringt eins mit. Der Campingplatz ist ab Mitte Mai geöffnet. Ein Besuch lohnt sich am ehesten in den warmen Sommermonaten, wo die Chance, die Schildkröten zu Gesicht zu bekommen steigt.
Provinzgrenze Quebec – Ontario mit Fährschiff




Weitere Sehenswürdigkeiten
Eigentlich wollten wir uns mehr Zeit nehmen um Quebec, die grösste Provinz Kanadas zu erleben. Was wir aber nicht bedachten oder unterschätzten sind die riesigen Distanzen, die geschlossenen Infrastrukturanlagen und das raue kalte Klima. Zu den weiteren Sehenswürdigkeiten die wir gerne noch gesehen hätten, zählen etwa der la Mauricie Nationalpark mit seiner Tier- und Pflanzenwelt, der Saguenay-Fiord mit seinen 400 Meter hohen Felswänden oder eine Wahlbeobachtung bei Toudssac. Dennoch haben wir im Rückblick doch einiges von dem erlebt, verkostet und gesehen was die Provinz ausmacht. Vielleicht gelingt es uns auf dem Rückweg, in einem Indian Summer (September-Oktober), noch mehr in den Norden zu fahren – alles zu seiner Zeit.
Fahrt durchs Lande


