
Stadt Shediac
288 Kilometer und über 8 Stunden werden wir am ende des Tages vom 28. April 2025, unterwegs sein. Auf die Prinz Edward Island, ob über die Brücke oder mit dem Fährschiff, kommt man kostenfrei. Um sie jedoch zu verlassen muss eine Brückenmaut von 50 CAD plus Taxe entrichtet werden. Bei leichtem Wind fährt diesmal Sabine über die imposante Confederation Bridge zum Festland in die Provinz New Brunswick. Beim Kreisel in Port Elgin fahren wir nicht über den Transcanada Highway über Moncton und Fredericton, wie wir vor Wochen hierher kamen, sondern auf dem Veterans Highway (15) der Küste entlang gegen Norden bis nach Shediac. Bei der Touristeninformation können wir parkieren. Der grosse «Lobster», ein beliebtes Fotosujet, steht gleich nebenan im kleinen Park. Entlang der Main Street schlendern wir danach noch durch die Hummer-Hauptstadt der Welt, wie die Einheimischen selbst behaupten. Der saubere Ort gefällt uns und auf dem Parkplatz könnten wir wahrscheinlich sogar über Nacht stehen. Wir wollen aber weiter.
Die wohlhabende Stadt Shediac im Westmorland County beherbergt heute über 8’500 Einwohner. Für den steten Einwohnerzuwachs sorgt sicherlich auch die nähe zur wirtschaftsmetropole Moncton, der grössten Stadt in der Provinz New Brunswick. Neben dem Hummerfang, spielt auch der Dienstleistungs- und Tourismussektor eine grosse wirtschaftliche Rolle. Die Holzwirtschaft hat zwar nicht mehr die selbe Bedeutung wie noch in der Zeit des Holz Schiffsbaus und der ersten Industriealisierung. Dennoch ist der Einfluss, etwa für den Bausektor oder die Papierindustrie spürbar. Lange vor den Europäern lebten hier aber schon Menschen, die Mi’kmaq. Ab dem 16. Jahrhundert siedelten sich in der Gegend erste Europäer, meist Franzosen, die Acadier an. Diese fanden in den indigenen Völkern einen treuen Bündnispartner im Kampf gegen die Briten um Akadien. Im Siebenjährigen Krieg (1756 – 1763) eroberten die Briten jedoch New Brunswick. Die aufsässigen Akadier wurden vertrieben, deportiert und in das britische Empire integriert – Welcher Junge kennt nicht die Lederstrumpf Erzählungen.
Provinz New Brunswick, Stadt Shediac - die Hummer-Hauptstadt der Welt






Richibucto
Die Fahrt führt uns weiter auf dem Highway 11 der Küste entlang nach Norden. Die Küste ist gut besiedelt, immer wieder lichtet sich der Wald, Häuser, Farmen, Felder und Sägewerke sind zu sehen. Die Wälder wurden und werden hier mit grossen Maschinen im Kahlschlag bewirtschaftet. Die Artenvielfalt scheint so natürlich nicht mehr dieselbe zu sein, wie wir sie etwa im Kejimkujik Nationalpark erleben durften. Wir überqueren den Cocagne River und den Bouctouch River. Dort, an den Flussdeltas zum Atlantic sind immer wieder Siedlungen entstanden. Bald sind wir in Richibucto, am gleichnamigen Flussdelta. Auf iOverlander wird der Parkplatz bei der Touristeninformation als Übernachtungsplatz angezeigt. Das Büro ist geschlossen, der Parkplatz ist frei, aber eine Tafel besagt das man hier über Nacht nicht Parken darf. Nun ja, es ist Nebensaison, wir sind müde, Sabine nimmt es locker, Roger wägt derweilen noch ab, schliesslich riskieren wir es hier zu übernachten. Wir wurden nicht vertrieben, Sabine hat recht behalten.
Richibuchto ist ein kleiner verschlafener Ort mit rund 1’650 Einwohnern im Kent County. Der Name des Ortes stammt aus der indigenen Sprache und bedeutet so viel wie «feuriger Fluss». Früher wurden hier Schiffe gebaut. Heute leben die Leute vom Hummer- und Muschelfang, vom Tourismus, Handel und Dienstleistungen. Es ist ruhig in der Stadt, ab und zu fährt ein Auto vorbei. Die Nacht verläuft für uns friedlich und ohne irgendwelche Störungen. Ausgeruht und entspannt können wir am nächsten Tag den 20 Kilometer entfernten Nationalpark besuchen. Das Wetter ist leicht bewölkt mit viel Sonne und spürbar wärmeren Temperaturen als auf PEI.
Nationalpark Kouchibouguac
Wir fahren zum Visitor Centre des Nationalparks Kouchibouguac. Das Administrationsbüro ist besetzt und wir können uns den Jahrespass «Parks Canada Discovery» besorgen. Dieser Pass ist für 143 Nationale Parks, historische Stätten, Meer-Schutzgebiete, Stadtparks und anderes gültig. Das ist günstiger und einfacher als bei jedem Park auf unserer weiteren Reise einzeln zu bezahlen. Der südliche Teil des Nationalparks entlang des Kouchibouguac River ist in der Nebensaison noch weitgehend geschlossen. So fahren wir zunächst entlang des Flusses zu einem Parkplatz. Über eine Fussgängerbrücke gelangen wir auf die andere Flussseite und spazieren einer ehemaligen Forststrasse entlang durch den Wald. Früher wurde dieses Gebiet intensiv von Menschen genutzt und teilweise auch besiedelt. Spuren der Besiedlung findet man etwa in Form des Friedhofes mitten im Nationalpark. Das Holz wurde bestimmt schon öfters geschlagen, was man dem Wald und der Artenvielfalt auch ansieht.
Den zweiten Halt legen wir an der Küste, bei der Mündung des Flusses ein. Hier essen wir im Wiwomo zu Mittag und schauen dem Treiben am Wasser zu. Immer wieder fahren Fischer hier her um ihre Boote zu wassern. Sabine erfährt, dass am kommenden Wochenende die Fischsaison beginnt und ein Wettbewerb um den grössten Fisch der Küste entlang statt findet. Bei einem Spaziergang entdecken Roger und Kiara einen etwas ursprünglicher wirkenden Küstenwald und die Sandstrände. Der Nationalpark wurde erst im Jahre 1969 gegen erheblichen Widerstand der Bevölkerung gegründet. Er soll vor allem die hier vorkommenden Sandbänke, Dünen, Lagunen, Salzwiesen und Wälder schützen. Er bietet ein Habitat etwa für Gelbfuss-Regenpfeiffer, Seeschwalben, Schlauchpflanzengewächse (fleischfressende Pflanze) und Schmetterlinge.
Nationalparks Kouchibouguac, Jahrespass «Parks Canada Discovery»



Stadt Miramichi
Noch am selben Tag, am Dienstagabend des 29. April, fahren wir weiter nordwärts zum 53 Kilometer entfernten Ort Miramichi am gleichnamigen Fluss. Die Stadt mit rund 19’300 Einwohnern wurde erst 1995 als Zusammenschluss einiger umliegender Kleinstädte und Gemeinden gegründet. Die Bewohner der Stadt reklamieren Miramichi als Kanadas irische Hauptstadt. Tatsächlich sind 90% der Einwohner englischsprachig. Viele der Einwanderer kamen dereinst aus Irland und Schottland hierher. Aber nicht nur die Kultur der Iren und Schotten, sondern auch der Akadier und der Natoaganeg (ein Stamm der Mi’kmaq) werden hier gelebt. So finden jährlich unterschiedliche Events, wie etwa auch ein Powwow, ein rituelles Treffen der Ureinwohner, im Juli statt.
Wir können unser Wohnmobil am Hafengelände, im Stadtteil Chatham, gleich neben dem Touristoffice parken. Nachdem wir uns eingerichtet haben, spazieren wir durch die Stadt und besuchen die Saint Michael’s Basilica (katholische Kirche) auf einem Hügel. Die Kirche ist offen und Einheimische ermuntern uns die Kapelle zu besuchen. Die Hauptkirche ist wegen Gesangsproben, wie wir auch hören, für Besucher geschlossen. Auf dem Rückweg kommen wir beim O’donaghue’s Irish Pub vorbei. So ein Bier mit «Fish & Chips» im kanadisch-irischen Pub wäre doch was, oder? Na klar kehren Sabine und Roger dort ein und lassen Kiara im Wohnmobil zurück. Getränke und Essen sind vielleicht typisch irisch, die Rechnung und das Verlassen des Restaurants, unmittelbar nach Beenden des Essens, aber eher kanadische Tradition.
Miramichi als Kanadas irische Hauptstadt, Saint Michael's Basilica (katholische Kirche), O'donaghue's Irish Pub mit «Fish & Chips»









Stadt Campbellton
Es ist Mittwochmorgen der 30. April, als wir uns entscheiden nicht direkt nach Edmundston, quer über Land auf der Landstrasse 108, vorbei an den Kennedy Lakes, zu fahren. Dort soll es zum heftigen Wind, den wir auch hier spüren, zudem noch stark regnen. Hier können wir nicht bleiben also geht es weiter der Küste entlang nach Norden nach Campbellton. Roger hat sich einen kleinen Hexenschuss eingefangen. Bei starkem Gegenwind bis zu 70 km/h kämpft sich nun Sabine mit unserem 7 Tonnen Wohnmobil über den Highway 8 und 11. Der Dieselverbrauch des kleinen 3 Liter-Motors mit 175 PS dürfte bei der Fahrt durchaus über 20 Liter pro 100 Kilometer gestiegen sein. Nach 185 harten Kilometern und 5 Stunden Fahrt mit Pausen erreichen wir das Range Rear Ligthhouse in Campbellton. Hier gibt es einen grossen, nahezu leerstehenden Parkplatz auf dem wir uns vom Wind geschützt einrichten. Wir beschliessen uns an diesem Ort für zwei Tage auszuruhen und das bessere Wetter abzuwarten.
7’400 Einwohner leben in Campbellton, an der Mündung des Restigouche, dem Grenzfluss zur Provinz Quebec. Der Ort und die Region hat eine bewegte Geschichte. Im 16. und 17. Jahrhundert befanden sich hier französische Missionen und schottische Fisch- und Holzhandelsposten. 1757 liessen sich enteignete Akadier nieder und kämpften bis 1760 erneut gegen die Briten, unterlagen aber in der Seeschlacht von Restigouche. Danach siedelten sich Schotten aus Übersee hier an. Heute finden sich in der Stadt je zur Hälfte französisch und englisch sprechende Kanadier friedlich nebeneinander. Der wirtschaftliche Wandel vom Schiffsbau, Fischfang und Pelzhandel, zur Holzindustrie und der Eisenbahn mit der ersten Industrialisierung verlief nicht reibungslos. So hat ein Feuer die Stadt im Jahr 1910 vollständig zerstört. Die Holzindustrie wurde im Jahr 1928 durch den Bau einer Zellstofffabrik im nahe gelegenen Atholville abgelöst. Heute belebt der Tourismus die Region. So dominiert etwa der Sugarloaf Mountain mit 300 Metern inklusive Vier-Jahreszeiten-Provinzpark und Skihügeln die Region in den Appalachen.
Range Rear Ligthhouse in Campbellton, Lachsfischen






Quer durch die Provinz bis Edmundston
Freitag der 2. Mai, wir verlassen Campellton und fahren 198 Kilometer mitten durch die Appalachen, ein Mittelgebirgszug der sich von Gaspé (Quebec) bis Livingston (Alabama) ausdehnt. Dichte Forstwälder säumen die Landstrasse (17), hier ein Fichtenbesatz, da ein Kahlschlag und hin und wieder eine kleine Siedlung, ein paar Häuser. Doch was ist das? Elchalarm – ein junger Elch knabbert am Strassenrand an ein paar Sträuchern. Es ist bereits der zweite Elch den wir in Kanada sehen, aber der erste den wir vor die Kamera bekommen. Es gibt nur zwei grössere Orte auf der Route, Kedgwick und Saint Quentin, wo wir auch eine Pause einlegen, auf einem Hochplateau auf ca. 280 Metern über Meer. Den höchsten Punkt der Strecke haben wir mit 366 Metern gemessen. Danach geht die Fahrt weiter ins Tal des Saint John River, dem Grenzfluss zur USA. Der Transcanada Highway nach Norden führt uns sogleich nach Edmundston (260 MüM).
Auf dem grossen Truck Stop schlagen wir unser Quartier für 2 Nächte bis Sonntag auf. Auch wenn wir dem Regen nicht ganz entfliehen konnten, ist es hier doch merklich wärmer als noch an der Atlantikküste. Das Gebiet auf dem der Truck Stop, das Grey Rock Casino und weitere Geschäfte, Hotels und Restaurants stehen gehört zum kleinen Stammesgebiet der Madawaska Maliseet First Nation (4 km²). Mit den Gewinnen aus ihren Geschäften setzt sich die Gemeinschaft für ihre Kultur und Sprache sowie eine gute Lebensgrundlage ihrer rund 350 Mitglieder sowie der Umwelt ein. Einst erstreckte sich das Siedlungsgebiet der Maliseet vom St Lorenzstrom weit über die Grenzen des St. John River, dem schönen Fluss, bis an die Bay of Fundy. Das entspricht heute weiten Teilen New Brunswicks und Main. Auf Seite der USA finden sich heute keine Stämme mehr.
Elchalarm, Madawaska Maliseet First Nation, Truck Stop



Weitere Sehenswürdigkeiten
Einiges haben wir in der Provinz New Brunswick gesehen, auf vieles haben wir aber auch verzichtet. Da wären etwa der Nationalpark Fundy Bay mit ihrem enormen Tiedenhub und den Hopewell Rocks. Ebenfalls sehenswert soll auch der Roosevelt Internatioanal Park auf Campobello Island vor der Amerikanischen Küste sein. Sie ist aber nur mit einer Fähre oder von den USA aus zu erreichen. Ebenso interessant wären auch die Städte Saint John und Fredericton mit ihren Farmers Markets. Doch wo finden wir in den grossen Städten einen geeigneten Übernachtungsplatz für unser Wiwomo. Andere Top Attraktionen wie etwa der Kingsbrae Garden, das Village Historique Acadien oder der Mount Carleton Provincialpark sind erst im Sommer besuchbar. Bis zur Provinzgrenze nach Quebec sind es nur noch rund 20 Kilometer. Also folgen wir dem wärmeren Wetter und reisen weiter westwärts, denn schnell läuft die Zeit. Wir werden dabei die Zeitzone wechseln und die Uhren eine Stunde zurückstellen.
Was für ein Ortsname Saint-Louis-du-Ha! Ha!
